Lobbyarbeit für Kinderschänder

… – von Krankenkassen finanziert!

Nach dem fortgesetzten Boykott einer kritischen Diskussion über die Thesen Otto F. Kernbergs in meiner Psychotherapeuten-Kammer, hatte ich am 15. August 2006 etliche Krankenkassen angeschrieben. Im Zentrum stand die provokative These, die Kassen finanzierten Lobbyarbeit für Kinderschänder.

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Krankenkassen finanzieren die Lobbyarbeit für Kinderschänder

Psychotherapeutenkammer-Vorstand behindert kritische Diskussion

  • Kinderschänder wälzen häufig ihre Schuld auf die Opfer ab.
  • Eine psychotherapeutische Fachpublikation von 1999 behauptet: Eine Grundschülerin erlebe bei einer Vergewaltigung durch ihren Vater „in typischer Weise“ einen „sexuell erregenden Triumph über ihre Mutter“! Sie müsse „ihre Schuld tolerieren“!
  • Diese These geht letztlich zurück auf die Lehre von Sigmund Freud, der in diesem Jahr zu seinem 150. Geburtstag weltweit geehrt wurde.
  • Der Vorstand der Psychotherapeutenkammer des Saarlandes behindert bis heute aktiv eine kritische Diskussion über diese Lobbyarbeit für Kinderschänder.
  • Mit meinem Appell richte ich mich an die Kostenträger von Psychotherapie und an die Öffentlichkeit: Helfen Sie mit, die Lobbyarbeit für Kinderschänder zu stoppen!

Kommt der sexuelle Missbrauch von Kindern zur Anklage, dann wälzen die Täter oft ihre Schuld auf die Opfer ab, indem sie behaupten, sie seien von den Minderjährigen provoziert worden. Eine geradezu „professionelle“ Schuldzuweisung an die Opfer wird dabei (wohl unfreiwillig) von den Krankenkassen finanziert – als sogenannte „Psychoanalyse“.

Ein Fallbeispiel: Eine Frau leidet an schweren depressiven Störungen; sie ist als Kind von unter zehn Jahren von ihrem Vater vergewaltigt worden. Ihr Psychoanalytiker deutet: Die Grundschülerin habe dabei „typischer Weise“ einen sexuell erregenden Triumph über ihre Mutter“ erlebt. Die Frau müsse ihre Schuld tolerieren“. So Otto F. Kernberg, Mitglied im Beirat der Lindauer Psychotherapiewochen. Er hatte in Lindau diese und ähnliche Anklagen 1997 unwidersprochen vorgetragen, 1999 publiziert.

Woher kommt eine solch gnadenlose Ignoranz gegenüber den kindlichen Opfern von sexuellem Missbrauch in psychotherapeutischen Fachkreisen?

Ein gut einhundert Jahre altes, bis heute gerühmtes Lehrwerk der Psychotherapie liest sich wie ein Handbuch für Kinderschänder: Der 27jährige Herr Z. presst eine 13-Jährige in seinem menschenleeren Büro an sich und küsst sie – gegen ihren Willen – auf den Mund. Obendrein spüre sie dabei die Erektion des Mannes. Sie ekelt sich, reißt sich los und rennt weg. Dies beweise, dass das Mädchen bereits „ganz und voll hysterisch“ sei: „Anstatt der Genitalsensation [= sexuellen Erregung], die bei einem gesunden Mädchen unter solchen Umständen gewiß nicht gefehlt hätte, stellt sich bei ihr … der Ekel [ein]“! Der Fachmann: „Ich kenne zufällig Herrn Z.; …. ein noch jugendlicher Mann von einnehmendem Äußern“. Zwei Jahre später quittiert das Mädchen einen Heiratsantrag dieses (verheirateten) Herrn mit einer Ohrfeige. Der Autor analysiert: „Dass sie von dem Vorfalle ihre Eltern in Kenntnis gesetzt, legte ich als eine Handlung aus, die bereits unter dem Einflusse krankhafter Rachsucht stand. Ein normales Mädchen wird, so sollte ich meinen, allein mit solchen Angelegenheiten fertig.“ „Gesunde“ und „normale“ Jugendliche halten demnach bei solcher Zudringlichkeit still, genießen ihre Erregung und sind gegenüber ihren Eltern verschwiegen!

Sigmund Freud, der Autor dieses „Handbuchs“ – Bruchstück einer Hysterieanalyse (1905) ­– verfolgt seit dem September 1897 die These vom „polymorph perversen Kind“ und vom „Ödipuskomplex“. Die Abneigung von Jugendlichen gegen die Zudringlichkeit von Erwachsenen ist für ihn der Ausdruck einer psychischen Störung, deren Ursache sucht er in (unterstellten) kindlichen Perversionen. Dies führt – konsequent zu Ende gedacht – zu Otto Kernbergs These vom „sexuell erregenden Triumph“ eines vergewaltigten Kindes und von dessen „Schuld“. Der langjährige Präsident der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPA) findet damit leider immer wieder begeisterte Zustimmung unter sogenannten Fachleuten, wie z.B. das Werbematerial einer mit ihm geplanten Veranstaltung Ende Oktober 2006 in Rott­weil belegt: http://www.milton-erickson-institut.de/programm/workshops/kernberg.html.

Die von Kernberg propagierte „Therapie“ muss jedoch m.E. bei den Betroffenen geradezu eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes bewirken! Deshalb werbe ich seit dem Jahr 2000 bei Kongressen, mit Publikationen, per Email-Rundschreiben, auf einer Homepage (http://www.oedipus-online.de) oder in Diskussionen für Widerspruch gegen Kernbergs Position. Meine Kritik wurde teilweise brüsk abgewiesen, überwiegend beschwiegen. Am 19. Dezember 2000 hatte ich das Saarländische Ministerium für Gesundheit und Soziales um Unterstützung gebeten. Psychiatriereferent Ingwardt Tauchert lehnte ab: Die Politik sei nicht zuständig. Das Problem gehöre in eine Psychotherapeutenkammer. Die gab’s aber damals noch nicht.

Als sich im Jahr 2004 im Saarland eine solche Kammer konstituiert hatte, schrieb ich einen Leserbrief an deren Organ, das FORUM, das alle 408 Kammermitglieder kostenlos beziehen. Auf dem Hintergrund ausgiebiger Zitate aus Kernbergs Text wollte ich an meine Kollegen/-innen appellieren: „Im Interesse unserer KlientInnen und im Interesse unseres Rufes sollten wir derartig unmenschlichen Positionen, wie oben zitiert, ausdrücklich eine gemeinschaftliche Absage erteilen!“ Der Brief wurde nicht abgedruckt. Begründung der Kammerpräsidentin Ilse Rohr im FORUM 4 (September 2004): Das FORUM wolle „keine Plattform für Vorurteile oder Polemik bieten“!

In der Vertreterversammlung der Kammer vom 28. Februar 2005 stellte ich meinen Beitrag zur Diskussion. Meine Kritik verunglimpfe Arbeitsmethoden, so das Protokoll dieser Sitzung. Meine Bemühungen, eine Debatte zu dem Thema anzuzetteln, wurden bis in den März 2006 hinein von Seiten des Kammervorstands nach Kräften behindert. (Genauere Darstellung hier.)

Da meine langjährigen bundesweiten Bemühungen um kritische Diskussion innerhalb des Kollegenkreises ohne nachhaltige Resonanz geblieben sind, richte ich nun meinen Appell an die Kostenträger der Psychotherapie und an die Öffentlichkeit:

  • Die Opfer von sexuellem Missbrauch leiden oft genug an Schuld­gefühlen, weil sie ihnen z.B. von den Tätern eingeredet wurden. Legen Sie denjenigen „Fachleuten“ das Handwerk, die die Leidtragenden weiter in diese Schuldgefühle hineintreiben!
  • Stoppen Sie die Finanzierung einer derartigen Lobbyarbeit für Kinderschänder!
  • Üben Sie Druck aus auf den bisherigen Vorstand der Saarländischen Psychotherapeutenkammer, den Weg frei zu machen für eine kritische Diskussion des bezeichneten Missstands!

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Auch wenn die Resonanz der Kassen nicht allzu groß war, so war ich doch dabei in Kontakt gekommen mit Prof. Jürgen Fritze, der mir spontan anbot, einen Beitrag von mir zum Thema in der “psychoneuro” aufzunehmen. Auf diese Weise kam es zu der entsprechenden Veröffentlichung im Jahr 2007.